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Die Brücke der Trauer

Die Brücke der Trauer

Lange stand ich vor der schmalen Holzbrücke,
die sich im stillen Gewässer spiegelte.
Es war eine Brücke zum Hin- und Hergehen,
hinüber und herüber.
Ich blieb stehen und dachte über das Gehen nach
und darüber, wie sich im Wasser der eine Weg
zu einem doppelten spiegelte.

Auch die Trauer ist ein Gang hinüber und herüber.
Hinüber, dorthin, wohin der andere ging.
Und zurück, dorthin, wo man mit ihm war
in der Zeit des gemeinsamen Lebens.

Und dieses Hin- und Hergehen ist wichtig.
Denn da ist etwas abgerissen.
Die Erinnerung fügt es zusammen, immer wieder.
Da ist etwas verloren gegangen.
Die Erinnerung sucht es auf und bringt es zurück.
Da ist etwas von einem selbst weggegangen.
Man braucht es und geht ihm also nach.
Man muss es bewahren, um weiter zu leben.

Man muss das Land der Vergangenheit erwandern,
hin und her,
bis einmal der Gang über die Brücke
auf einen neuen Weg führt.

Jörg Zink

in: Trauer hat heilende Kraft, S. 16
Freiburg i.Br., Verlag Herder 2014

 

Brücke der Trauer