Schale der Dankbarkeit – Gedanken zu Silvester

Schale der Dankbarkeit

 

Ein Tag voller Leben – noch im Morgengrauen haben wir uns auf den Weg gemacht und sind mit dem
Sonnenaufgang am Meer. Heißer Kaffee aus der Thermoskanne, Eintauchen in den salzigen Geruch der Muscheln,
den weich rieselnden Sand zwischen den Fingern, das mächtige Rauschen der Wogen, die an den Strand rollen.
Den ganzen Tag bleiben wir, kommen ins Gespräch, können schweigen, laufen in die Wellen wie früher als Kinder.
Wie dankbar bin ich, einen solchen Tag erlebt zu habe! Ich möchte ihn festhalten, in einer schönen Büchse
verschließen, um ab und an daran schnuppern zu können, wenn es außen und innen trist ist.

Schon am nächsten Morgen hat mich der Alltag wieder, aber ich nehme mir fest vor, diesen Tag nicht zu
vergessen. Schnell schreibe ich wenigstens noch eine Notiz auf einen kleinen Zettel:
20. Juni: Strandfrühstück in Travemünde, ein Tag voller Glück.
Erst einmal bleibt der Zettel, wo er ist – mitten auf meinem Schreibtisch. Wenn ich die Arbeitsunterlagen
beiseite räume, liegt er unten und lacht mich an. Nach ein paar Tagen fällt er beim Aufräumen auf den
Boden, da lege ich ihn in eine Schale auf der Fensterbank. Von nun an finden wir in dieser Schale immer wieder
Platz für unsere Freude:
16. August – mit A. im Ballett >Tod in Venedig< – unglaublich eindrucksvoll!
5. September – das erste richtige Stück auf dem Saxophon
23. September – M. hat die Operation überstanden!

Am Ende des Jahres ist die Schale mit kleinen Zetteln gefüllt. Wir sitzen zusammen und nehmen sie
nacheinander heraus. Erklären einander die Notizen oder spüren ihnen gemeinsam nach.

Am Ende des Jahres bleibt die Dankbarkeit.

Inken Christiansen