23. Dezember 2022 – Adventskalender

Lücke im Baum

Aus der Erzählung von Dietrich Bonhoeffers Schwester ~ Sabine Leibholz-Bonhoeffer ~
Unser zweitältester Bruder Walter fällt am 28. April 1918 im ersten Weltkrieg. Eine schmerzvolle Lücke ist entstanden und sie bleibt offen. An diesem und allen folgenden Weihnachtsfesten schneidet die Familie einen geschmückten Zweig vom Tannenbaum. Sie gehen alle an Walters Grab und legen ihn dort ab. So ist ein Teil des Baumes bei ihm am Grab und die Lücke im Baum erinnert an Walter.

Wie viele Menschen trauern um einen lieben Menschen und möchten Weihnachten am liebsten aus dem Kalender streichen?
Oftmals hört man die Worte: “Es wird lange dauern, bis sich diese Lücke schließt!”
Wie sollte sich diese Lücke schließen?
Wer sollte diese Lücke ausfüllen?
Wäre ich bereit, diese Lücke zu füllen, indem ich den Platz des Verstorbenen einnehme?
Nein! Warum auch? Der geliebte Mensch hat ein Vermächtnis hinterlassen.
Ich möchte mich immer an mein Kind erinnern.
Ich kann doch keinen Platz einnehmen, der nur körperlich nicht mehr ausgefüllt ist. Unsere lieben Verstorbenen bleiben in unserem Familiensystem erhalten, sie sind wichtig für uns. Vielleicht waren sie die Humorvollen, Geduldigen, Friedfertigen, Mahnenden, Erfolgreichen, Klärenden, Barmherzigen, Liebevollen? 

Ich werde Deine Lücke immer offenhalten – für meine Erinnerungen, für meine Liebe, für meine Tränen und für meine Träume – für meinen Blick zu Dir in den Himmel.
Die Lücke, die Du hinterlassen hast, erinnert mich in jedem Moment an Dich – Kay – sie ist für mich das Tor zur Ewigkeit. 

(aus meinem Buch “Herzberührungen”)

Auch wir fahren auf den Friedhof und legen einen geschmückten Zweig auf Dein Grab – als ein sichtbares Zeichen der Liebe hier auf der Erde.
Doch unsere Herzen kennen keine Trennung und keine Lücke. Wir bleiben in der Liebe verbunden ~ über den Tod und Weihnachten hinaus.